KURZBIOGRAFIE
Der 1839 in Vaduz geborene Josef Gabriel Rheinberger zeigte schon früh ungewöhnliche Musikalität. Er versah bereits als Siebenjähriger den Organistendienst in seinem Heimatort und kam mit 12 Jahren zur Ausbildung an das Münchner Konservatorium, wo er seine Kommilitonen bald überflügelte und bereits zahlreiche Werke schuf. Dem erst 19-jährigen bot das Konservatorium eine Dozentur für Klavier und später für Orgel und Komposition an, die er bis kurz vor seinem Lebensende ausüben sollte.
Rheinberger gehört zu den Komponisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die nach Jahren des Vergessens zunehmend in das Bewusstsein von Musikpraxis und Musikforschung zurückgekehrt sind. Sein umfangreiches Œuvre - darunter allein 197 mit Opuszahl veröffentlichte Werke - umfasst Klaviermusik, Orgelmusik, geistliche und weltliche Chormusik, Sololieder, Kammermusik, Sinfonien, Konzertouvertüren, Schauspielmusiken und Opern.
Ohne viel Werbung in eigener Sache zu machen, gehörte Rheinberger zu den erfolgreichen Komponisten seiner Zeit, an den Verleger, Musiker und Chöre mit Kompositionsaufträgen herantraten. Als Hofkapellmeister des bayerischen Königs Ludwigs II. nahm er seit 1877 eine zentrale Position innerhalb der katholischen Kirchenmusik in Deutschland ein. Er komponierte lateinische Messen und Motetten, die in ihrer Unabhängigkeit von den einengenden Vorschriften der cäcilianischen Kirchenmusikreformer seiner Zeit wegweisend waren.
Er war als Kompositionslehrer am Münchner Konservatorium eine Kapazität von internationalem Rang. Zu seinen Schülern zählten unter vielen anderen Engelbert Humperdinck, Ermanno Wolf-Ferrari und Wilhelm Furtwängler sowie eine ganze Generation junger amerikanischer Komponisten (z.B. Horatio Parker und George Chadwick). Zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Ritterkreuz vom Orden des heiligen Gregor, das Komturkreuz des Bayerischen Kronenordens und der Ehrendoktor der Universität München spiegeln den Erfolg des gebürtigen Liechtensteiners.
Rheinberger war ein entschiedener Klassizist, der Mozart und Bach zu seinen grossen Leitbildern erhob. Mit seinem hilfsbereiten, rücksichtsvollen Wesen und seinem offenen Geist prägte er auf unauffällige Weise eine ganze Musikergeneration. So steht er als grosser Lehrer und bedeutender Repräsentant einer vielfältigen Musikkultur am Ende der klassisch-romantischen Epoche.
SCHÜLER
Rheinbergers Münchner Musikschultagebücher
Als Lehrer am königlichen Konservatorium - der späteren Akademie der Tonkunst - legte Josef Gabriel Rheinberger penibel Schülerlisten an. Diese "Münchner Musikschultagebücher" bzw. "Inspektionsbücher" geben uns Auskunft, wer zwischen 1867 und 1901 bei Rheinberger die Schulbank drückte. Sie geben uns aber keine Auskunft über zahlreiche junge, talentierte Komponistinnen und Komponisten, die privat Rheinbergers Rat und Hilfe in Anspruch nehmen konnten. Dazu zählt etwa die Komponistin Louise Adolpha Le Beau,
die etwa 1874 von Clara Schumann an Rheinberger
vermittelt worden war. Auch der später vor allem als Dirigent berühmt gewordene Wilhelm Furtwängler war sein Privatschüler.
Walter Kaufmann, einer der Gründer des Josef-Rheinberger-Archivs in Vaduz, hat die handschriftlichen "Münchner Musikschultagebücher" gesammelt und übertragen: